Plasma-Anwendungen in der Leiterplattenfertigung

1. Basismaterialien
In der heutigen Fertigung werden die Basismaterialien immer höheren Löttemperaturen ausgesetzt. Solche Basismaterialien sind: Hoch-Tg FR4 (früher auch als FR 5 bezeichnet), Bismaleinimidtriazin-Harz (BT), Cyanatester (CE) und Polyimid (PD). PTFE mit einem sehr hohen Tg (> 250°C) wird auch aufgrund seines geringen Verlustfaktors (~ 0.0019/2GHz) vor allem für Hochfrequenzschaltungen (> 1 GHz) eingesetzt.
Alle diese Basismaterialien müssen nach dem Bohren für die nachfolgende Durchkontaktierung vorbereitet werden, indem die Schmierschicht und andere Rückstände vom Bohren entfernt werden ("Desmear").
Darüber hinaus sind in der Leiterplattenfertigung Oberflächenkonditionierungen nötig, wie z.B. beim Reinigen von Bondpads oder auch beim Aktivieren von Oberflächen vor dem Laminieren/Verkleben.

2. Nasschemische Behandlung
Früher erfolgte die Reinigung und Aktivierung üblicherweise mit dem nasschemischen Prozess „Permanganat“.
Heute stellen sich jedoch folgende Probleme:

  • Bei abnehmenden Via-Durchmessern ist dies ein schwieriger Prozess.
  • Hygroskopische Materialien nehmen während des Desmearings Wasser auf und quellen.
  • Die Maßhaltigkeit in der nasschemischen Verarbeitung ist nicht gegeben.
  • Hochfrequenz-Material wie z.B. PTFE ist chemisch ein äußerst inertes Material, das nicht mit Permanganat gereinigt werden kann.


3. Plasma – eine saubere Alternative
Mit dem modernen „trocken arbeitenden (Ätz-)verfahren“ werden obige Probleme vermieden.
Das Niederdruckplasma als Ätzmedium ist eine effektive und saubere Alternative zu dem bisher eingesetzten Reinigungs- und Ätzverfahren. Nach dem Plasmaprozess bleibt eine rückstandsfreie Oberfläche zurück, die zudem aktiviert und hervorragend für die Durchkontaktierung vorbereitet ist. Eine Konditionierung nach dem Desmearing, um Quellvorgänge rückgängig zu machen oder Flüssigkeitseinschlüsse zu eliminieren, sind nicht mehr notwendig.
Der prinzipielle Aufbau der Plasmaanlage besteht aus einer Vakuumkammer mit entsprechender Vakuumpumpe, einem Generator für die Plasmaerzeugung und einer Prozessgaseinspeisung. Die Substrate sind direkt dem Plasma ausgesetzt. Aufgrund des geringen Druckes können die erzeugten Ätzgase auch in Strukturen und Bohrlöcher eindiffundieren.
Das Plasma ist ein leitfähiges Gas mit einer charakteristischen Leuchterscheinung, die z.B. bei der Neonröhre zur Lichterzeugung ausgenutzt wird. Hier wird die Aggressivität des Plasma eingesetzt. Bei einem Unterdruck von ca. 20 Pa (= 0.2 mbar) wird an das Gas ein elektrisches Hochfrequenzfeld angelegt. Unter diesen Bedingungen nehmen die leichten Elektronen (negative Ladungsträger) Energie auf, während die schweren Gasmoleküle davon unberührt bleiben, selbst dann, wenn sie positiv oder negativ geladen sind. Durch inelastischen Stoß werden die Gasmoleküle angeregt oder gar ionisert. Da die Temperatur des Gases ausschließlich durch die schweren Teilchen bestimmt wird, wird das Niederdruckplasma auch ein "kaltes" Plasma genannt, dessen Temperatur im Bereich von RT - 120°C liegt. Durch die hohen Elektronentemperaturen (> 104 K) werden chemische Reaktionen induziert, die normalerweise nur bei hohen Umgebungstemperaturen möglich sind . Somit kann schon bei niedriger Temperatur eine Schmierschicht abgeätzt oder eine Oberfläche aktiviert werden.
Je nach Material werden Sauerstoff (O2), Tetrafluormethan (CF4) und Argon-Wasserstoff (Ar, H2) als Gase verwendet. Die Schmierschicht wird idealerweise zu CO2 und H2O abgebaut, die unter den Plasmabedingungen flüchtig sind. Real sind auch schon kleine organische Bruchstücke flüchtig und finden sich neben dem in manchen Prozessen erzeugten HF im Abgas. Das Abgas kann über Dach geleitet werden, da die schädlichen Anteile des Abgases nach TA Luft weit unter den Grenzwerten liegen. Die Entsorgung ist daher wesentlich vereinfacht. Zusammen mit dem geringen Materialeinsatz führt dies zu deutlich geringeren Betriebskosten verglichen zu nasschemischen Verfahren.

4. Literatur
Diese Ausführungen wurden mit freundlicher Unterstützung der Firma Plasonic Oberflächentechnik GmbH erstellt. Eine Plasmaanlage dieses Unternehmens ist beim Leiterplattenhersteller CONTAG GmbH erfolgreich im Einsatz.

M.Gasch; PLUS 2006,1, 83; H.-J. Friedrichkeit; PLUS 2006,2, 229

M. Huschka, PLUS 2002,4, 3

Literatur zum Thema: G. Franz: Kalte Plasmen - Grundlagen, Erscheinungen, Anwendungen -; Springer Verlag Berlin Heidelberg 1990; H.v. Boenig: Fundamentals of Plasma Chemistry and Technology, Technomic Publ., Lancaster Basel 1990

Unter den Stichwörtern PERL, Plasmabohren und Plasmavia sind in R. Bieroth: Lexikon Elektronikfertigung; Eugen G. Leuze Verlag, Bad Saulgau 2006, Anwendungen des Plasmabohrens im Überblick beschrieben.